Die klassische Verdrahtung von Industriemaschinen durch Schaltschränke und Klemmleisten könnte bald überholt sein – genau dies will der mittelständische Automatisierungstechnik-Hersteller Murrelektronik mit seiner digitalen Installationslösung uKonn-X bewirken.
Wie es gelingt, echte Innovation aus einem Traditionsbetrieb heraus zu entwickeln, darüber informieren Dr. Paul Zeller, Mitglied der Geschäftsleitung von Murrelektronik, und der Projektverantwortliche Sebastian Pfestorf im gemeinsamen Interview.
Markt&Technik: Die Lösung uKonn-X Ihres Unternehmens soll die Planung und Installation klassischer Automatisierungstechnik deutlich vereinfachen. Was steckt hinter uKonn-X, und was kann Ihre Technologie genau?
Dr. Paul Zeller: uKonn-X ist das erste nahtlose, digital und visuell unterstützte System mit bidirektionaler Kommunikation zwischen Konstruktion, Entwicklung, Montage und Inbetriebnahme. Auf Basis unseres »Seamless«-Ansatzes verbindet die Lösung alle am Produktentstehungsprozess Beteiligten miteinander, sowohl Menschen als auch Systeme und Komponenten. Damit sind wir in der Lage, Fehler von vornherein zu vermeiden und zugleich dafür zu sorgen, dass Unternehmen unter dem Strich bis zu 70 Prozent der bisher benötigten Zeit für die Installation und Inbetriebnahme von Maschinen einsparen.
Herr Pfestorf, können Sie als Verantwortlicher für das Digitalgeschäft einen tieferen Einblick geben, welches Problem uKonn-X in der betrieblichen Praxis löst?
Sebastian Pfestorf: Im Alltag ist es bis heute notwendig, elektrische Schaltpläne mit einem Umfang von oft mehreren hundert Seiten zu lesen, um zunächst eine Maschine und ihr geplantes elektrisches Installationskonzept zu verstehen und dann eine fehlerfreie Verkabelung durchzuführen. uKonn-X vereinfacht diesen Prozess massiv: Bei der Installation wird zuerst per Scanner ein maschinell lesbarer Code auf den Komponenten, wie zum Beispiel konfektionierten Steckverbindern, eingelesen. Anschließend erscheint auf einem mobilen Device der eingelesene Schaltplan inklusive einem 3D-Modell der Maschine sowie eine genaue Anleitung, welche Komponenten miteinander verbunden werden müssen.
Wie genau funktioniert die Lösung?
Sebastian Pfestorf: uKonn-X navigiert den Installateur durch den gesamten Prozess – ähnlich wie Sie es von der Navigation mit Google Maps kennen. Sie brauchen also nicht »ortskundig« zu sein, um zu wissen, wo genau Sie im Verlauf der Installation abbiegen bzw. welche Komponenten genau miteinander verbunden werden müssen. Zudem bekommt der Installateur nicht nur eine Hilfestellung auf dem mobilen Device, sondern es leuchtet auch eine LED an jenem Port auf dem Feldbusmodul auf, an dem das Kabel bzw. der Steckverbinder eingesteckt werden muss.
Auf welchen Schlüsselelementen baut uKonn-X auf? Wie bettet sich die Digitallösung in bestehende Abläufe ein?
Sebastian Pfestorf: Uns ist im Durchlauf unseres sprintbasierten Innovationsprozesses durch das Aufstellen und Überprüfen von Hypothesen relativ schnell klar geworden, dass der Schlüssel zu einer Technologie wie uKonn-X in der Digitalisierung physischer Komponenten und Kommunikationsabläufe liegt. Daneben müssen weitere Elemente in die digitale Welt eingebunden werden, beispielsweise Betriebsmittelkennzeichnungen, die sogenannten BMKs. Wenn wir unsere Lösung mit Google Maps vergleichen, sind die BMKs die Straßennamen und Hausnummern innerhalb der elektrischen Installation einer Maschine.
Welches waren aus Ihrer Sicht bis dato die Erfolgsfaktoren für die Entwicklung von uKonn-X?
Sebastian Pfestorf: Ein zentraler Faktor ist das Setup unseres Teams bei uKonn-X: Wir sind agil, intrinsisch motiviert, Veränderung zu bewirken und Dinge neu zu denken. Hinzu kommt ein enger inhaltlicher Austausch innerhalb des gesamten Unternehmens sowie mit unseren Kunden. Dieser enge Kundenkontakt ermöglicht uns, die Herausforderungen zu verstehen und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, von denen am Ende alle profitieren. Wir arbeiten gerade daran, die ersten Pilotkunden mit uKonn-X auszustatten und so gemeinsam die Entwicklung voranzutreiben. Der Status der endgültigen Marktreife ist also nicht mehr allzu weit entfernt.
Welches Feedback auf uKonn-X erfahren Sie aus der Industrie?
Dr. Paul Zeller: Bei der initialen Vorstellung von uKonn-X auf der Messe SPS 2022 in Nürnberg mussten wir spontan zusätzliche Demonstratoren auf unserem Stand in Betrieb nehmen, um unsere Lösung für alle Besucher auf unserem Messestand erlebbar zu gestalten und damit den starken Andrang zu bewältigen. Das Feedback auf der Messe und auch bei unseren Kundenbesuchen ist durchweg positiv – Pilotkunden zu finden, ist daher fast ein Selbstläufer. Auch dass wir in diesem Jahr mit uKonn-X für die Leserwahl »Produkte des Jahres« des Fachmediums Computer&Automation in der Kategorie Elektromechanik nominiert sind, zeigt eine positive Resonanz.
Lassen Sie uns zum Abschluss noch einmal über den Innovationsprozess sprechen: Wo liegen die Herausforderungen bei der Umsetzung entsprechender Projekte? Und was braucht es, damit Innovation und im besten Falle Disruption gelingen können?
Dr. Paul Zeller: Es geht darum, Ideen früh zu validieren, Hypothesen zu testen und diese im Zweifel auch zu verwerfen - der ursprüngliche Kern der Idee für uKonn-X war tatsächlich auch ein etwas anderer. Auf Projektebene sind Aspekte wie Kundennähe und ein direkter Austausch elementar wichtig. Wer seine Idee im Stillen entwickelt, wird vermutlich nicht weit kommen und entwickelt im schlimmsten Fall eine Lösung für ein Problem, das für Kunden nicht relevant ist. Wer im Mittelstand zu einem echten Disruptor werden will, braucht neben einer klaren Strategie auch den Mut, Dinge einfach anders zu machen.
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