Wie Frauen im Iran um ihre Rechte kämpfen

2023-02-28 13:39:22 By : Mr. Yuxin Lv

Die Journalistin Golineh Atai stellte in Frankfurt ihr Buch „Die Freiheit ist weiblich“ vor.

Frankfurt -Da ist die junge Iranerin, die aus nichtigen Gründen für sieben Jahre ins Gefängnis gesteckt wurde und dort schlimmste psychische Folter erlitt. Da ist die Menschenrechtlerin, deren Vater im Iran ermordet wurde, und die sich nun von den USA aus gegen das Regime in Teheran engagiert. Da ist die Tochter eines Mullahs, die in ihrer streng religiösen Familie um ihr Recht auf Schulbildung kämpfen musste und die heute eine international bekannte Aktivistin ist. Sieben Frauen aus dem Iran porträtiert die TV-Journalistin Golineh Atai in ihrem Buch „Iran - die Freiheit ist weiblich“, aus dem sie am Montag im Bibliothekszentrum Sachsenhausen las. Und das jetzt, knapp ein Jahr nach seinem Erscheinen, aktueller denn je ist - vor dem Hintergrund der Proteste, die Mitte September durch den gewaltsamen Tod der 22-jährigen Mahsa Amini ausgelöst wurden.

Dass sich Atai, die inzwischen das ZDF-Studio in Kairo leitet, in ihrem Buch vor allem auf die Iranerinnen konzentriert, hat gute Gründe. Schließlich gehöre die Feindschaft gegen Frauen zu den Grundpfeilern des Regimes, sagte sie: „Keine gesellschaftliche Gruppe musste so um ihre Rechte kämpfen wie die Frauen.“

Das zeigt sich etwa in den rigiden Kleidervorschriften. Eindrucksvoll schilderte die Journalistin, die im Iran geboren wurde und im Alter von fünf Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland floh, den weiblichen Alltag in dem Land am Persischen Golf, den sie bei Verwandtenbesuchen oft erlebte. Wie die Frage „was ziehen wir jetzt an?“ die Tage prägt: Ist dieser oder jener Strumpf zu durchsichtig? Sind weiße Tennissocken erlaubt? Oder läuft man Gefahr, von den Sittenwächtern des Regimes auf der Straße drangsaliert zu werden, wenn das Kopftuch wenige Zentimeter nach hinten verrutscht ist? Unzählige Male seien Väter in Schulen zitiert und gedemütigt worden, wenn ihre Töchter gegen Kleidervorschriften verstoßen hätten, sagte Atai.

Und trotzdem gebe es Frauen, die dagegen rebellieren. Zum Beispiel Atena, die sich schon als Kind über viele Schranken hinweggesetzt habe. Die mit Kopftuch und Mantel die Schule besuchte, obwohl dort noch der Tschador - ein großer, dunkler Umhang, der nur Teile des Gesichts freilässt - vorgeschrieben war. Die sich schließlich sogar auf Facebook ohne Schleier zeigte und auch Kontakte mit westlichen Menschenrechtsaktivisten pflegte. Prompt landete sie für sieben Jahre im Gefängnis, musste wochenlang in Einzelhaft ausharren, stundenlange Verhöre über sich ergehen lassen, wurde mit Vergewaltigung und Hinrichtung bedroht. Dennoch habe das Regime sie nicht gebrochen, sagte Golineh Atai, die Atena in ihrem Buch porträtierte. Seit einigen Monaten sei sie wieder frei und engagiere sich weiter gegen die Mullah-Machthaber.

„Gibt es denn die Chance, das Regime zu stürzen?“, erkundigte sich ein Zuhörer. Eine Frage, auf die die Journalistin keine eindeutige Antwort geben konnte. Klar sei jedoch, dass die derzeitigen Proteste „eine neue Qualität“ hätten: „Noch nie wurde die Systemfrage so offen gestellt.“ Obwohl Sicherheitsorgane mit brutaler Gewalt gegen die Demonstranten vorgingen, wagten sich schon 13-Jährige auf die Straße, stellten sich vor die Sittenpolizei und rissen sich das Kopftuch herunter. Nicht nur aus Mut, sondern schlicht aus Verzweiflung darüber, dass sich das Regime seit Jahren als „reformunfähig“ erweise. „Das System ist angeschlagen“, resümierte Atai. „Es kann sehr gut sein, dass etwas Neues daraus erwachsen kann.“ Dabei müsse man sich jedoch auf einen längeren Prozess einstellen.

Kritisch beleuchtete sie in diesem Zusammenhang die Haltung des Westens gegenüber dem Iran. Jahrelang habe dieser nur auf Reformen innerhalb des Machtapparats gesetzt und sich für die Anliegen iranischer Menschenrechtsaktivisten nicht interessiert, sie sogar als hinderlich betrachtet, weil sie den vermeintlichen Frieden störten, sagte die Journalistin. Selbst Linke und Feministinnen hätten hier versagt - auch aus einem gewissen „Kulturrelativismus“ heraus. Nach dem Motto: Kleidervorschriften und ähnliches gehörten nun mal zur iranischen Kultur, da dürfe man sich nicht einmischen. „Wir sind die ganzen letzten Jahre in diese Falle getappt“, bilanzierte Atai und forderte: „Das müssen wir kritisch aufarbeiten.“